Nordhorn: Sie gehören sicherlich nicht zu den hübschesten Vögeln, aber mit ihrem langen gebogenen Schnabel, dem schwarz-schillernden Gefieder und dem nackten Kopf mit Federschopf sind Waldrappe auf alle Fälle sehr faszinierende Geschöpfe. Seit sechs Jahren leben einige der Ibisvögel mit Gänsegeiern, Sibirischen Steinböcken und Europäischen Sumpfschildkröten in der großen Voliere mit dem Namen „Geierfelsen“. Über zwei Antritte können die Zoobesucher hier ohne trennende Gitter die Tiere in der naturnahen Felslandschaft beobachten. Der Waldrapp war einst in Europa ein häufig anzutreffender Vogel, der in Frankreich, der Schweiz, Deutschland, Österreich, Spanien und im Westen des Balkans beheimatet war. Im 17. Jahrhundert starben die Waldrappe jedoch in
Mitteleuropa aufgrund intensiver Bejagung aus, da ihr Fleisch als besonders schmackhaft galt. Heute laufen verschiedene Wiederansiedelungsversuche, um den Waldrapp als Brutvogel in Europa wieder zu etablieren. In freier Wildbahn in Marokko lebten im Jahre 2019 nur noch etwa 700 Vögel und etwa 250 halbwild in der Türkei.
In zoologischen Gärten wird der stark gefährdete Waldrapp hauptsächlich aus Artenschutzgründen gehalten. Einerseits geht es darum, langfristig eine
Reservepopulation in Gefangenschaft zu erhalten, weil der Wildbestand extrem klein und auf wenige Orte lokalisiert ist, andererseits beteiligen sich zahlreiche Zoos an Forschungs- und Wiederansiedlungsprojekten. Der Bestand in den Zoos wird in einem Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) von Innsbruck aus
koordiniert. Insgesamt 108 Europäische Zoos beteiligen sich an dem Programm und halten etwa 1350 Vögel in ihren Einrichtungen – eine stolze Zahl! Die Nordhorner Waldrappe kamen vor sechs Jahren aus dem Schleswig Holsteinischen Sankt Peter-Ording. Schon damals war es ein großer Wunsch des Tierparks die gesamte Gruppe, wenn möglich, in das EEP zu integrieren. Leider war dies nicht erfolgreich, da die Zuchtlinien nicht nachvollziehbar waren, was jedoch eine Voraussetzung zur Teilnahme am EEP ist. „Als wissenschaftlich geführter Zoo haben wir aber natürlich ein Interesse daran am EEP mitzuwirken!“
so Kurator Dr. Dirk Wewers. „Nachzuchten von EEP Tieren können mitunter in die bestehenden Auswilderungsprojekte in Österreich, Deutschland und Italien gehen, was für uns ein erklärtes Ziel wäre,“ so Wewers weiter. Dass dies durch den Austausch der Vögel nun gelungen ist, freut den neuen Kurator des Zoos.
Am 17. September zogen 18 neue Waldrappe aus dem Zoo Duisburg auf den
Geierfelsen in der Grafschaft Bentheim. 5 weibliche Nordhorner Tiere durften verbleiben, so dass die Waldrapp-Gruppe auf beachtliche 23 Tiere angewachsen ist. Die übrigen Nordhorner Tiere zogen in den Eifelzoo.
Die Duisburger Waldrappe gehen auf die Innsbrucker-Ursprungszuchtgruppe aller im Zoo geborenen Waldrappe zurück. Zwei der Tiere sind mit 44 und 45 Jahren sogar die ältesten Vögel im EEP! In freier Wildbahn erreichen die Ibisvögel lediglich ein Alter von 15 bis 20 Jahren. Nun sind alle gespannt, ob die beiden hochbetagten Tiere noch für Nachzuchten im Tierpark Nordhorn sorgen und somit zum Erhalt der seltenen Ibisvögel beitragen.
(Bild: Tierpark Nordhorn)
(PM)
(24.09.20)