Folgende Empfehlungen für einen gerechten und geregelten Zugang zu einem COVID-19-Impfstoff wurden von der Ständigen Impfkommission, des Deutschen Ethikrates und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina am heutigen Montag herausgegeben:
Erste Impfstoffe zum Schutz gegen COVID-19 könnten bereits Anfang 2021 zugelassen werden. Zumindest am Anfang stehen aller Voraussicht nach nicht für alle impfbereiten Menschen Impfstoffdosen zur Verfügung. Deswegen ist eine Priorisierung notwendig. Im heute veröffentlichten Positionspapier werden medizinisch-epidemiologische Aspekte der Infektionsprävention mit ethischen, rechtlichen und praktischen Überlegungen zusammengeführt. Daraus entwickeln die Autorinnen und Autoren einen Handlungsrahmen für die anfängliche Priorisierung der Impfmaßnahmen gegen COVID-19.
Eine Priorisierung unterstützt die Entscheidung, wer vorrangig welche Impfstoffe erhalten soll. Diese darf nicht nur auf Grundlage medizinisch-epidemiologischer Erkenntnisse festgelegt werden. Vielmehr müssen auch ethische und rechtliche Erwägungen maßgeblich sein.
Derzeit fehlen laut den Expertinnen und Experten noch entscheidende Ergebnisse aus den laufenden klinischen Studien (Phase 3) zu den Eigenschaften der Impfstoffe. Dies hat zur Folge, dass eine detaillierte Empfehlung der STIKO zu den vorrangig zu impfenden Personengruppen jetzt noch nicht möglich ist. Bereits jetzt aber stehen die ethischen und rechtlichen Prinzipien fest, nach denen eine Priorisierung zu erfolgen hat: Neben der Selbstbestimmung sind dies die Nichtschädigung beziehungsweise der Integritätsschutz, die Gerechtigkeit, die grundsätzliche Rechtsgleichheit, die Solidarität sowie die Dringlichkeit.
Diese ethischen und rechtlichen Prinzipien schlagen sich in konkreten Impfzielen nieder: Verhinderung schwerer COVID-19-Verläufe (Hospitalisation) und Todesfälle; Schutz von Personen mit besonders hohem arbeitsbedingten SARS-CoV-2-Expositionsrisiko (berufliche Indikation); Verhinderung von Transmission sowie Schutz in Umgebungen mit hohem Anteil vulnerabler Personen und in solchen mit hohem Ausbruchspotential; Aufrechterhaltung staatlicher Funktionen und des öffentlichen Lebens.
Im Papier wird darauf hingewiesen, dass die Verteilung der anfangs knappen Impfstoffe ethisch wie grundrechtlich relevante Werte berührt und daher eine klare gesetzliche Regelung erfordert. Die Verteilung der Impfstoffe ist zudem so zu organisieren, dass ein Erreichen der Impfziele sichergestellt ist. Hierzu bedarf es geeigneter neuer Strukturen. Eine einheitliche, transparente und damit vertrauenserweckende sowie akzeptanzsichernde Verteilung ist geboten. Das spricht für eine Impfstrategie, die nicht auf einzelnen Hausärztinnen und Hausärzten beruht, sondern auf staatlich mandatierten Impfzentren.
Impfungen setzen prinzipiell eine aufgeklärte, freiwillige Zustimmung voraus. Deshalb sind Priorisierungskriterien der Bevölkerung verständlich darzulegen. Die Autorinnen und Autoren des Positionspapiers schließen zudem eine undifferenzierte, allgemeine Impfpflicht aus.
Eine selbstbestimmte Impfentscheidung erfordert eine kontinuierliche, transparente Information und Aufklärung der Bevölkerung zur Wirksamkeit der Impfung und zu ihren Risiken, so die Expertinnen und Experten. Um mögliche Impfrisiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren, muss eine zeitnahe bundesweite Erfassung aller Impfungen und eine Bewertung von unerwünschten Ereignissen in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung etabliert werden. Dazu fordern die Autorinnen und Autoren eine produktspezifische Erfassung der COVID-19-Impfungen in einer zentralen Datenbank, auch zur genauen Ermittlung der Impfquoten.
(Symbolbild)
(PM)
(09.11.20)