Lingen: Das Atomkraftwerk Emsland geht in das letzte Betriebsjahr. Die Grünen zeigen sich nun wegen Korrosionsschäden besorgt. Sie werfen dem Umweltministerium eine Vernachlässigung von Inspektionspflichten vor. In einer Anfrage fordern die Grünen Landtagsabgeordneten Volker Bajus und Miriam Staudte nun Aufklärung darüber, warum die Aufsichtsbehörde in Hannover auch zwei Jahre nach den ersten Schäden an Dampferzeuger-Heizrohren noch immer keine vollständige Überprüfung vorgenommen hat.
„Umweltminister Lies steht als Chef der Atomaufsicht in der Pflicht, unverzüglich alle Dampferzeuger-Heizrohre auf voller Länge und an beiden Enden untersuchen zu lassen,“ sagt Bajus, der für die Grünen für Südwestniedersachsen zuständig ist. „Das Ministerium hat stets versichert, es würden bis zum letzten Tag des AKWs höchste Sicherheitsstandards gelten. Dieses Versprechen muss jetzt auch eingelöst werden. Es darf für das letzte Betriebsjahr keinen Sicherheitsrabatt nach dem Motto `wird schon gut gehen´ geben.“
Die Grünen verweisen auf Gutachten zum baugleichen Atomkraftwerk Neckarwestheim II, die die Notwendigkeit einer jährlichen und vollumfänglichen Überprüfung der Dampferzeugerheizrohre belegen. „Wenn die Behörde jetzt behauptet, alle Schäden seien behoben, hat das keine Grundlage, da mögliche Schäden gar nicht vollumfänglich untersucht wurden. Der nötige Sicherheitsnachweis wurde nicht erbracht,“ kritisiert Bajus.
Die Betriebserfahrungen aus Baden-Württemberg zeigten, dass die Korrosion mit den bislang ergriffenen Maßnahmen nicht aufgehalten wird. Bei den jährlichen Untersuchungen dort wurden stets auch neue Schadstellen festgestellt. Die Korrosion schreite also immer weiter voran.
Auch die Anti-Atom-Organisation kritisiert die fehlenden Kontrollen im AKW Emsland. Demnach wurden in Neckarwestheim bei der Revision 2021 erstmals Korrosionsschäden am sog. ‚kalten Ende‘ der Dampferzeuger-Heizrohre festgestellt, die im AKW Lingen bislang gar nicht untersucht wurden.
Ausgestrahlt klagt deswegen auf sofortige Stilllegung des AKW Neckarwestheim II vor dem Verwaltungsgericht Mannheim. Die nur 1,23 mm dicken Wände der Dampferzeuger-Heizrohre seien die sicherheitstechnisch wichtige Barriere zwischen dem radioaktiven Reaktorkreislauf (Primärkreislauf) und dem nicht-radioaktiven, dem Turbinen antreibenden Wasser-Dampf-Kreislauf (Sekundärkreislauf). Bereits der Bruch eines einzigen der mehr als 16.000 Rohre stelle einen schweren Kühlmittelverluststörfall dar, weswegen alle von Spannungsrisskorrosion betroffenen Rohre umgehend verschlossen werden müssten.
Das Atomkraftwerk Emsland wird Ende des Jahres 2022 im Zuge des nationalen Atomausstiegs endgültig abgeschaltet. Im Jahr 2019 wurden Risse an zwei Dampferzeuger-Heizrohren entdeckt. 2020 musste erneut ein schadhaftes Rohr verschlossen werden, an einem weiteren Rohr wurde fortschreitender Lochfraß festgestellt.
(Symbolbild)
(PM)
(18.12.21)