Papenburg: „Wir haben uns heute hier versammelt, um den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus unserer Stadt und allen jüdischen Menschen zu gedenken, die durch die Nazi-Barbarei umgekommen sind. Vergessen Sie in diesem Zusammenhang bitte nicht, wie dieser Wahnsinn angefangen hat. Diese Geschichte darf sich nicht wiederholen.“ Mit diesen eindringlichen Worten warb die Bürgermeisterin Vanessa Gattung am Mittwochabend, 9. November, für mehr Offenheit und Toleranz in der Gesellschaft. Bei der Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht von 1938 forderte Gattung: „Wir wollen Vertrauen in die Zukunft. Wir wollen keine Angst. Niemand bekommt unseren Hass. Das ist die zentrale Botschaft, die uns der heutige Tag lehren sollte.“
Eine bedrückende Stimmung herrschte vor der Sparkasse am Hauptkanal. Vor dem Gedenkstein der ehemaligen Synagoge in Papenburg versammelten sich an diesem kühlen Abend mehr als 250 Menschen, um an der zentralen Gedenkveranstaltung anlässlich der Novemberpogrome teilzunehmen. In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten Synagogen in ganz Deutschland. Auch in Papenburg wurde das jüdische Gotteshaus von den Nazi-Schergen in Brand gesetzt. In dieser Nacht erreichte die systematische und staatliche Verfolgung der Juden im damaligen Deutschen Reich einen vorläufigen grausamen Höhepunkt.
Im Zentrum der diesjährigen Gedenkveranstaltung stand der Film „Walter Kaufmann – Welch ein Leben!“. Der am 15. April 2021 verstorbene Kaufmann wurde 97 Jahre alt und hat ein bewegtes Leben hinter sich. Fast alle bedeutenden Weltereignisse, Katastrophen und Erschütterungen erlebte er mit und bemerkte dabei auch, wie deren Folgen bis in die Gegenwart hineinwirken. Der Film war anlässlich der Gedenkfeier im Kino Papenburg für die Schülerinnen und Schüler der Papenburger Oberschulen zu sehen. Die Regisseurin und Produzentin Karin Kaper war zur Gedenkfeier am Abend persönlich vor Ort und führte ein themenbezogenes Interview mit Jost Nellen, einem Schüler der Heinrich-von-Kleist-Schule.
Auf die Frage, wie Walter Kaufmann über aktuelle Geschehnisse und Entwicklungen empfand, antwortete Kaper: „Walter Kaufmann hat sich bis zu seinem letzten Atemzug gegen den Rechtsruck in Deutschland und Europa ausgesprochen. Für ihn war es unerträglich, dass die sogenannte AfD im Deutschen Bundestag vertreten ist. Walter Kaufmann ist zum Glück zwar sanft aus dem Leben geschieden, aber auch voller Sorge über die politische Entwicklung in unserem Land. Sein Motto war: Nie wieder! Nie wieder dürfen in Deutschland so schreckliche Verbrechen geschehen.“
Zum Ende der Veranstaltung richtete erneut die Bürgermeisterin Gattung das Wort an die Bürgerinnen und Bürger. „Geht offen durch die Welt, sucht das Gespräch mit dem Fremden, helft ihm oder ihr, hier anzukommen und sich wohlzufühlen. Kommunikation ist die Basis für Integration, Inklusion und Veränderung. Menschen aus anderen Nationen kommen hierher, um hier Frieden und Sicherheit zu finden. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir in Frieden in einer sicheren Gesellschaft leben können.“
(Foto: Marco Köttker – Stadt Papenburg)
(PM)
(10.11.22)