Viele psychische Auffälligkeiten wie Depressionen, Ängste, Süchte oder selbstschädigendes Verhalten treten zunehmend häufiger auch in der Jugend auf. Betroffene Jugendliche brauchen deshalb frühzeitig Hilfe, um ihre Probleme nachhaltig zu bewältigen. Vor diesem Hintergrund hat das Niedersächsische Kultusministerium ein Präventionsprogramm zur mentalen Gesundheit an Schulen ins Leben gerufen. Lehrkräfte und Schulsozialarbeitende können sich dabei zu mentalen Ersthelferinnen und Ersthelfern ausbilden lassen. Noch immer nimmt Niedersachsen damit bundesweit eine Vorreiterstellung ein: In keinem anderen Bundesland gibt es bisher ein vergleichbares gezieltes und landesweit greifendes Angebot, mit dem die psychische Gesundheit der Schülerinnen und Schüler in den Blick genommen und unterstützt wird. Auf diese Weise leistet Schule einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung junger Menschen. Nun geht das Programm in die nächste Runde – mit aktualisierten sowie neuen Formaten.
Insgesamt 52 Kurse für mentale Erste-Hilfe bietet das Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) in diesem sowie im kommenden Jahr Lehrkräften sowie Schulsozialarbeitenden an – die Teilnahme ist weiter kostenlos. Anmeldungen für Kurse bis zu den Sommerferien laufen bereits, die angebotenen Kurse für die Zeit nach den Sommerferien können ab April über das Niedersächsische Lerncenter (NLC) gebucht werden. Welches Verhalten kann auf eine Depression hindeuten? Woran erkennt man Angststörungen oder Psychosen? Und ist suizidales Verhalten für Nicht-Mediziner überhaupt zu erkennen? In den Kursen erhalten die Teilnehmenden grundlegendes Wissen über verschiedene psychische Störungen und Krisen, Anzeichen, Symptome und Risikofaktoren dieser Auffälligkeiten sowie Informationen zu professioneller Peer- und Selbsthilfe-Unterstützung. Auch Auswirkungen von Diskriminierungserfahrungen werden behandelt.
„Das wachsende Interesse an unserem Programm macht deutlich, dass der Bedarf an Qualifizierung im Bereich der mentalen Gesundheit weiterhin hoch ist. Der Grund liegt auf der Hand: Zahlreiche Studien zeigen uns, dass die psychischen Belastungen bei Kindern und Jugendlichen deutlich zugenommen haben. Wir müssen den jungen Menschen mehr Aufmerksamkeit und Stärkung bieten. Mit der „Mental Health First Aid“ leisten wir einen wichtigen Beitrag. Die mentalen Ersthelferinnen und Ersthelfer bringen präventive Angebote direkt zu den Schülerinnen und Schülern, zeigen ihnen Wege auf, mit Sorgen und Problemen besser klarzukommen. Sie informieren über Hilfsangebote und machen den jungen Menschen Mut, sich im Ernstfall auch Hilfe zu holen“, sagt Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg.
Professor Peter Paulus von der Leuphana Universität Lüneburg ergänzt: „Die Bedeutung des Programms ist nicht hoch genug einzuschätzen: Psychisch gesunde Schülerinnen und Schüler sind besser gerüstet für erfolgreiches Lernen. Wenn sie in der Schule jetzt auch miteinander und voneinander lernen, wie krisenhafte Lebensschwierigkeiten überwunden werden können, stärkt das zusätzlich ihre psychische und soziale Lebenskompetenz. Schule wird so für sie zu einem wichtigen Ort in ihrer Lebenswelt, dem sie sich in verunsichernden Zeiten verbunden fühlen können.“
Mit der Fortführung des Programms reagiert das Land auf die steigende Nachfrage und die durchweg guten bis sehr guten Bewertungen durch die Teilnehmenden. Zugleich wurden die Rückmeldungen genutzt, um die Kurse zu verbessern. So wurden die „Mental Health First Aid-Kurse“ (MHFA-Kurse) zur besseren Anwendung im Schulalltag optimiert und noch stärker auf die Zielgruppe ausgerichtet. Darüber hinaus wird es künftig ein begleitendes E-Learning-Angebot geben. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auch auf die Bedürfnisse jüngerer Kinder gelegt. „Wir freuen uns sehr, durch die Möglichkeit der fachlichen Mitgestaltung dieses E-Learning-Angebotes zu bestimmten Themen und Störungsbildern einen Beitrag zu dem Programm im Sinne betroffener Kinder und Jugendlicher leisten zu können“, so Anette Redslob-Hein, Chefärztin der Abteilung für Kinder und Jugendpsychiatrie in der KRH Psychiatrie Wunstorf.
Während sich bisherige Qualifizierungsprogramme im schulischen Kontext bundesweit vorwiegend auf schulisches Personal konzentrieren, hat das Niedersächsische Kultusministerium in Zusammenarbeit mit der Medical School Hamburg eine Peer-to-Peer-Plattform zur Sensibilisierung von Schülerinnen und Schülern ins Leben gerufen. Hier soll die eigentliche Zielgruppe, die Heranwachsenden, besser einbezogen werden.
Aus diesem Grund wird die Entwicklung u. a. durch den Landesschülerrat (LSR) begleitet. „Wir sind sehr froh, dass nun endlich etwas im Thema Mentale Gesundheit in Schulen passiert“, betont Louisa Basner, kommissarische Vorsitzende des LSR. „Die geplante Plattform sowie die Ausbildung für Lehrkräfte sehen wir als absolut notwendig an, denn den Schüler*innen geht es mental in der aktuellen Situation nicht gut.“
(09.04.24)