
Nachdem der alte Bisonbulle Peterle im Sommer letzten Jahres nach einer 14-tägigen Krankheitsphase und nahezu täglichen Behandlungen leider am Blauzungenvirus verstarb, war klar, dass die Herde einen neuen Bullen brauchen würde. Zunächst stand jedoch die Genesung der Bisonherde im Vordergrund, da alle Tiere bis auf das Kalb Odin erkrankt waren und mehrfach behandelt und geimpft werden mussten. Zum Glück war die Behandlung erfolgreich, sodass bis auf den stattlichen Bullen alle anderen Tiere der Herde gerettet werden konnten.
In Europa gibt es nur 13 Waldbisonhalter, 9 davon in Deutschland. Neben Nordhorn ist dies auch der Zoo Hannover. Da der Zoo einen Bullen abzugeben hatte und gleichzeitig auf der Suche nach einer neuen Kuh für seine Herde war, konnte ein Direktaustausch zwischen den beiden Zoos organisiert werden. Vor wenigen Tagen erreichte der Hannoveraner Jungbulle mit einer Transportfirma den Nordhorner Tierpark. Langsam verließ er den Transportanhänger und erkundete vorsichtig sein neues Zuhause. Mehrfach suchte er dabei den Teich auf und schwamm einige Runden darin.
„Unsere Bisonherde haben wir derweil im Stall- und Vorgartenbereich abgetrennt, damit der kleine Kerl erstmal alles in Ruhe alleine kennenlernen konnte“, berichtet die Zooärztin und Kuratorin Dr. Heike Weber. Zudem musste die zweijährige Bisonkuh Nala auf den nun leeren Anhänger für den Transport nach Hannover aufgeladen werden. Nach kurzem Zögern lief sie wie immer durch den Treibgang im Stall. Am Ende erreichte sie diesmal jedoch nicht das Außengehege, sondern den Transportanhänger, dessen Türen sich hinter ihr schlossen. „Das hört sich einfach an, war es diesmal auch, aber wenn sich ein Bison nicht bewegen will, kann das auch mal ganz anders ausgehen“, so die sichtlich erleichterte Dr. Weber. „Die bis zu einer Tonne schweren Tiere kann man weder anfassen, geschweige denn anschieben oder am Strick führen wie zum Beispiel die Hausrinder am Vechtehof!“

Nala geht dafür nach Hannover
Nachdem der Transporter mit Nala den Tierpark verlassen hatte, wurde ein Teil der Bisonherde zu dem neuen, knapp einjährigen Hannoveraner Bullen ins Außengehege gelassen. „Es gab ein paar Käbbeleien, ein Kopf-an-Kopf-Schieben und Kopfschlagen, aber das ist völlig normal“, so Revierleiter Henning Meyer. „Bisons sind Herdentiere und müssen eine Rangfolge auskämpfen. Diese Kämpfe sehen wüst aus, sind aber selten gefährlich. Einmal ausgefochten, dient die Hierarchie der Ruhe in der Gruppe und dem Zusammenhalt der Herde“, so Meyer weiter.
Der neue Kerl hat sich schon am ersten Tag dem fast gleichaltrigen Nordhorner Jungbullen Odin und dessen Mutter Ganesa angeschlossen. Die beiden Kleinsten der nunmehr sechsköpfigen Waldbisonherde sind leicht zu unterscheiden: Odins Fell ist dunkler und er ist kräftiger und stämmiger als sein neuer, hellerer und schmalerer Kumpel aus Hannover.
Mittlerweile läuft der Neuzugang morgens täglich mit der Herde zum Fressen in den Stall, schläft tagsüber zwischen den anderen Bisons im Sand auf der Außenanlage und erkundet Schulter an Schulter mit seinem Kumpel Odin das Nordhorner Bisongehege. Jetzt muss er in den nächsten Jahren nur noch wachsen und ein stattlicher Zuchtbulle werden, so wie Peterle einer war.
Der kleine Bulle hat übrigens noch keinen Namen. Da sich der Zoo in seinem 75. Jubiläumsjahr befindet, laufen derzeit die Ideensammlungen zur Namensvergabe. Sobald feststeht, wie Vorschläge abgegeben werden können, wird der Tierpark auf seinen Social-Media-Kanälen und der Webseite zum Mitmachen aufrufen. Genug Zeit also für alle Interessierten, sich Gedanken über einen Namen mit „O“ als Anfangsbuchstaben zu machen, der im Idealfall auch noch nordamerikanisch ist.

Tierabgaben zwischen Zoos
Zoos verkaufen ihre Tiere nicht untereinander, sie tauschen sie mit anderen Zoos. Meist geschieht dies jedoch nicht im Direktaustausch, sondern mit Hilfe der offenen Tauschliste. Das bedeutet, dass im Jahr X zum Beispiel der Zoo Hannover ein Tier aus dem Tierpark Nordhorn bekommt und Jahre später dann umgekehrt der Nordhorner Zoo ein Tier aus dem Zoo Hannover erhält. Diese Tiertauschaktionen werden nicht genau aufgerechnet – weder was die Arten noch was die Anzahl der Tiere betrifft. Es geht nur darum, dass alle Zoos bereit sind, ihre Tiere an andere Zoos abzugeben, ohne Geld dafür zu verlangen. So hat das einzelne Tier einer Art im Grunde keinen „finanziellen Wert“, den man in einer Geldsumme angeben könnte. Dadurch wird der Handel mit Wildtieren aus finanziellen Gründen unterbunden. Zwischen den Zoos geht es eben nicht um Geld, sondern um das gemeinsame große Ganze: um den Erhalt der genetischen Vielfalt, der Artenvielfalt, zusammengefasst um den Artenschutz.
(Bilder: Tierpark Nordhorn / Franz Frieling)
(PM)
(04.04.25)