Seit dem 1. Juli 2021 regelt der Glücksspielstaatsvertrag das legale Spiel mit dem Glück in Deutschland. Was als großer Wurf zur Vereinheitlichung eines zersplitterten Marktes gefeiert wurde, entpuppt sich in der Realität als komplexes Gebilde mit vielen Baustellen, einigen Pannen und einer zunehmenden Zahl offener Fragen.
Schon jetzt deutet vieles darauf hin, dass 2026 ein regelrechter Kurswechsel auf der Agenda stehen könnte. In dieser Gemengelage stellt sich die Frage, wie stark die Schrauben gedreht werden und ob der GlüStV am Ende mehr sein kann als eine gut gemeinte, aber schlecht geölte Verwaltungsmaschine.
Was steckt hinter dem Glücksspielstaatsvertrag und warum war 2021 ein so wichtiges Jahr?
Die Ausgangslage war chaotisch. Bis 2021 kochte jedes Bundesland sein eigenes Süppchen, wenn es um Glücksspielregulierung ging. Während Schleswig-Holstein schon seit Jahren eigene Lizenzen vergab, herrschte anderswo mehr Verbot als Ordnung. Werden beispielsweise mehr als 120 Casinos getestet, dann können diese aber immer noch europäische, internationale oder aber deutsche Lizenzen haben. Der neue Glücksspielstaatsvertrag sollte das ändern und brachte Einheitlichkeit als wichtigstes Ziel mit. Für alle Anbieter, für alle Spieler, für alle Länder.
Auf dem Papier klang das durchaus vielversprechend. Kanalisierung der Spielerströme in legale Bahnen, Schutz vor Spielsucht, klare Regeln für Werbung, dazu ein zentrales Sperrsystem namens OASIS, das problematisches Spielverhalten eindämmen soll. Technisch gestützt durch LUGAS, das den länderübergreifenden Austausch von Glücksspielinformationen ermöglicht, sollte ein System entstehen, das Ordnung in die bisher unregulierte Online-Branche bringt. Herzstück dieser Reform ist die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL), die seit 2023 offiziell als zentrale Kontrollinstanz agiert.
Was auf politischer Ebene wie ein Meilenstein wirkte, sollte sich in der Praxis allerdings als träge Gigantin mit Startschwierigkeiten entpuppen. Denn mit dem Übergang zu einem neuen Modell sind auch neue Hürden gewachsen und an dieser Stelle beginnt der Reformbedarf.
Hat der Glücksspielstaatsvertrag seine Ziele erreicht?
Auf dem Papier ist vieles geregelt, in der Praxis jedoch bleibt der gewünschte Effekt oft aus. Die ehrgeizige Kanalisierung, also der Versuch, Spieler vom illegalen in den legalen Markt zu lenken, läuft schleppender als erwartet. Zwar gibt es inzwischen eine Reihe lizenzierter Anbieter, doch viele Glücksspieler nutzen weiterhin Seiten ohne deutsche Lizenz, sei es aus Gewohnheit, wegen attraktiverer Angebote oder schlicht, weil sie gar nicht wissen, dass sie sich in einer Grauzone bewegen.
Hinzu kommen lange Bearbeitungszeiten bei Lizenzvergaben, ein für viele Betreiber kaum nachvollziehbares Regelwerk und technische Hürden, die kreative Angebote im Keim ersticken. Wer als Anbieter innovativ sein möchte, sieht sich mit einem Wust aus Paragraphen, Formularen und Prüfverfahren konfrontiert. Für viele ist das eine Einladung zum Rückzug oder ein Anreiz, auf andere Märkte auszuweichen.
Zugleich sorgt die GGL mit ihrem ambitionierten Kontrollanspruch für Reibungspunkte. Spielerbeschwerden häufen sich, weil etwa Einzahlungslimits greifen, obwohl sie sich bewusst für ein höheres Budget registriert haben. Technische Ausfälle beim zentralen Sperrsystem OASIS werfen Fragen auf, ebenso wie der Datenschutz rund um die gesammelten Spielerdaten. Vieles wirkt zu Beginn unausgereift, zu komplex, zu langsam. Genau deshalb dürfte die Evaluierung 2026 mehr als eine bloße Bestandsaufnahme werden.
Warum könnte 2026 mehr als nur eine formale Evaluation sein?
Dass der Glücksspielstaatsvertrag nicht bis 2028 unangetastet weiterlaufen wird, ist inzwischen ein offenes Geheimnis. Zwar ist die gesetzliche Evaluierung erst für Ende 2026 vorgesehen, doch die Debatte darüber hat längst begonnen. Innenminister mehrerer Bundesländer drängen auf eine zügige Reform, teilweise schon vor der offiziellen Frist. Zu groß seien die Mängel, zu träge der Vollzug, zu laut die Rufe aus Wirtschaft und Politik. Vor allem der effektive Kampf gegen illegales Glücksspiel rückt dabei in den Mittelpunkt. Denn während legale Anbieter unter engmaschiger Aufsicht agieren, wachsen im Schattenbereich alternative Plattformen, die sich um deutsche Regelungen kaum scheren. Das weckt auch den Ruf nach härteren Bandagen, technisch, politisch und rechtlich.
Damit wird 2026 zur Wegmarke. Entweder gelingt die Justierung hin zu einem funktionierenden System, das sowohl schützt als auch ermöglicht. Oder der Vertrag verliert weiter an Glaubwürdigkeit, mit allen Folgen, die das für Spieler, Anbieter und Staat bedeuten würde.
Was bereits diskutiert wird und was das verändern könnte
An konkreten Vorschlägen mangelt es nicht. Eine der prominentesten Ideen betrifft Netzsperren für illegale Glücksspielangebote. Internetanbieter wie Telekom oder Vodafone könnten künftig verpflichtet werden, den Zugriff auf nicht lizenzierte Plattformen zu blockieren. Ein Schritt, der rechtlich heikel ist, technisch aber durchaus realistisch erscheint und politisch ein Signal setzen würde, dass mit illegalem Spiel Schluss sein soll.
Parallel wird die Rolle der GGL neu gedacht. Bessere Durchgriffsbefugnisse, mehr internationale Zusammenarbeit, ein schnelleres Lizenzsystem. Die Behörde soll effizienter werden, ohne ihre Kontrollfunktion zu verlieren. Ob das gelingt, hängt auch von personellen und strukturellen Reformen ab. Zu viel Regulierung lähmt Innovation, zu wenig öffnet Schlupflöcher.
Wer profitiert von den Reformen, wer verliert?
Reformen verändern immer Kräfteverhältnisse. Während legale Online-Anbieter auf Erleichterungen bei Verfahren und technischem Monitoring hoffen dürfen, wächst für illegale Plattformen der Druck. Netzsperren, Zahlungsblockaden und internationale Kooperationen könnten vielen das Geschäft erschweren. Ob das reicht, ist fraglich, aber der Wind wird rauer.
Stationäre Spielstätten, die zuletzt stark unter der Konkurrenz aus dem Netz gelitten haben, könnten durch gezielte Regulierung und klare Regeln wieder Boden gutmachen. Vor allem an Orten, die auf Gewerbesteuer und Arbeitsplätze angewiesen sind, wird genau hingeschaut, wie sich der Markt verschiebt. Auch das wird 2026 zeigen.
Kaum ein nationales Gesetz kommt heute ohne den Blick über die Grenze aus. Auch der Glücksspielstaatsvertrag muss sich an europäischem Recht messen lassen. Das Stichwort heißt Dienstleistungsfreiheit, also wenn Anbieter aus Malta oder Gibraltar ihre Dienste auch deutschen Spielern zugänglich machen, wird es juristisch komplex. Wer hier zu stark blockiert, riskiert Ärger in Brüssel.
Dazu kommt der technologische Wandel. Krypto-Casinos, dezentrale Plattformen, Smart Contracts, all das unterläuft klassische Kontrollmechanismen. Während die deutsche Regulierungsmaschinerie noch an Limitierungen feilt, spielt sich die nächste Innovationswelle bereits auf anderen Ebenen ab. Wer 2026 ernsthaft reformieren will, muss diese Dynamik mitdenken, sonst hinkt das Gesetz der Realität weiter hinterher.
Wie es weitergehen könnte und warum 2026 nur der Anfang sein dürfte
Der Vertrag gilt offiziell bis 2028. Doch selbst wenn 2026 eine Reform einleitet, wird diese kaum das letzte Wort sein. Wahrscheinlicher ist ein gestufter Prozess, bei dem erste Maßnahmen angepasst werden, während andere Themen für eine größere Überarbeitung ab 2028 vorbereitet werden.
Ganz egal, ob 2026 nun der Wendepunkt wird oder nur das Aufwärmen für die eigentliche Reformrunde, klar ist, dass der Glücksspielstaatsvertrag an der Schwelle zu einer neuen Phase steht. Die große Frage lautet nicht mehr, ob sich etwas ändern muss, sondern nur noch, wie tief der Schnitt sein wird.
Warnhinweis: Glücksspiel kann süchtig machen. Der Spieltrieb kann zu finanziellen Verlusten und persönlichen Problemen führen. Bitte gehe verantwortungsvoll mit Glücksspielen um und setze dir feste Grenzen. Informationen und Hilfe zum Thema Glücksspielsucht findest du bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unter www.check-dein-spiel.de
(23.11.25)