Osnabrück/Landkreis Emsland: „Kein Verbrechen ohne Opfer. Hinter jedem Bild steht ein Kind, dessen Kindheit und Jugend schwer beschädigt worden ist“: Diese klaren Worte fand der vorsitzende Richter bei einer Urteilsverkündung am Freitag im Landgericht Osnabrück. Wegen Erwerbs und Besitzes von 1665 kinder- und jugendpornografischen Dateien muss ein 68-Jähriger aus dem südlichen Emsland für ein Jahr hinter Gittern. Der Antrag der Verteidigung, das Urteil des Amtsgerichtes Lingen in Bezug auf die Rechtsfolgen zu revidieren und die Strafe noch einmal zur Bewährung auszusetzen, wurde abgelehnt. Dies berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung am Freitag.
Der 25. Juni 2020: Das Amtsgericht verurteilt einen, nach einem Schlaganfall gesundheitlich schwer angeschlagenen, Mann zu zwölf Monaten Haft. Auf seinem PC und auf zwei Mobiltelefonen wurden „einschlägigen Dateien“ gefunden. „Mehr als 1500 Dateien. Das ist schon eine Ansage“, merkte der Richter dazu an.
Es war nicht das erste Mal, dass der Angeklagte – der nach eigenen Angaben homosexuell und aidskrank sei – derartig auffällig wurde. Bereits zweimal wurde er wegen der gleichen Straftat verurteilt. Einen Teil der Strafe saß er ab und steht noch immer unter Bewährungsauflagen. Dazu kamen Verfahren wegen Diebstahl, Nötigung und Beihilfe zum Betrug. Das dreifache Bewährungsversagen und das Fehlen einer günstigen Sozialprognose waren Gründe für die Ablehnung der Berufung, so die NOZ.
Der Anwalt des Anklagten hatte zunächst das Bildnis eines Mannes gezeichnet, der jetzt „den Schalter umgelegt hat“. Er habe die Taten eingestanden und bemühe sich mit Hilfe eines Therapeuten, an seinen Problemen zu arbeiten. Die Kindheit des in der ehemaligen DDR geborenen und im Emsland aufgewachsenen Mannes sei sowohl in der Familie als auch später im Internat von Gewalt und sexuellen Übergriffen geprägt gewesen, hieß es im Plädoyer.
Später verdiente der Emsländer seinen Lebensunterhalt mit verschiedenen Helfertätigkeiten. „Als Schwuler auf dem Dorf war das Leben sicher nicht leicht“, warb der Verteidiger weiter um Verständnis. Der Angeklagte habe alle Taten eingeräumt. „Jetzt ist er auf einem guten Weg und im Knast wird sicher kein besserer Mensch aus ihm“.
Der Bewährungshelfer des Beschuldigten wollte sich dagegen nicht auf eine günstige Prognose für seinen Klienten festlegen. „Ob das mit der Kinderpornografie nun nach dem Schlaganfall und der HIV-Diagnose angefangen hat, da blickt man nicht so ganz durch“, meinte er. Der 68-Jährige, der auf Nachfrage des Gerichts eingeräumt hatte, impotent zu sein, hatte es selbst vorher so dargestellt: „Ich hab das gemacht, weil ich sehen wollte, ob noch was geht und es ging nicht.“
Warum er dann trotzdem weitergemacht hat, wollte der Richter wissen – eine Frage, die den Angeklagten scheinbar überforderte. Auch der Bewährungshelfer hatte den Emsländer zuvor als „sehr einfach strukturierten Menschen mit einem sehr einfach strukturierten Leben“ geschildert. Kontakte zu Bekannten, Nachbarn oder Angehörigen gebe es nicht. Schlafen, aufstehen, fernsehen oder Filme am Computer gucken – so sehe in etwa der Tagesablauf aus.
„Dass er keine Kinderpornos mehr gucken will, hat er beim letzten Mal auch schon gesagt. Aber dann war er doch wieder unterwegs. Solange der Computer da ist, ist es, als würde man einem Alkoholiker eine Kiste Bier ins Wohnzimmer stellen“, meinte der Bewährungshelfer. Der 68-Jährige habe inzwischen in therapeutische Behandlung begeben.
„Die Taten sind nicht harmlos. Kinder waren die Opfer. Wenn niemand diese Filme gucken würde, gäbe es sie nicht“, stellte der Staatsanwalt fest. Ein Jahr Gefängnis sei, in Anbetracht der Vielzahl der Taten, durchaus angemessen, sprach er sich gegen eine Abwandlung des Lingener Urteils in eine Bewährungsstrafe zuvor aus.
Zudem sprächen das Bewährungsversagen und das „problematische Freizeitverhalten“ gegen den 68-Jährigen. Dem schloss sich der Richter am Freitag in Osnabrück an: „Sie sind wegen ihrer Lebensumstände sicher nicht zu beneiden, aber das darf nicht vor Strafe schützen. Man kann nicht den Eindruck gewinnen, dass Sie das nicht wieder tun.“
Gegen das Urteil ist Revision möglich.
(Symbolbild)
(24.10.20)