Das Bundeskriminalamt zählt allein für das Jahr 2019, dem Jahr vor der Corona-Pandemie, 141.000 Fälle häuslicher Gewalt. Diese Zahl kann 2020 noch weiter steigen. Die Opfer waren zu 81 Prozent Frauen.
„Das sind höchst alarmierende Zahlen“, sagt Angelika Kruse vom Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauen- und Gleichstellungsbüros in Niedersachsen (lag), „die aber wegen der großen Dunkelziffer nicht einmal das ganze Ausmaß der Gewalt gegen Frauen abbilden.“
2017 hat Deutschland die Istanbul-Konvention ratifiziert, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Mit klaren Worten definiert die Istanbul-Konvention Gewalt gegen Frauen als Diskriminierung und Menschenrechtsverletzung und verdeutlicht, dass der häuslichen Gewalt systematisch begegnet werden muss. Die Staaten, die das Übereinkommen unterzeichnet haben, verpflichten sich zu einem offensiven Vorgehen gegen jegliche Form der Gewalt gegen Frauen.
Dabei sind in erster Linie Maßnahmen aus den Bereichen Gewaltschutz und Gewaltprävention erforderlich. Aber auch eine aktive Gleichstellungspolitik wird laut der Istanbul-Konvention als Beitrag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen betrachtet. Im Rahmen des Gewaltschutzes sind zur Unterstützung betroffener Frauen flächendeckende Beratungseinrichtungen nötig. Außerdem muss die Zahl der Frauenhausplätze erheblich ausgebaut werden, um dem Bedarf gerecht zu werden. Ebenso sind präventive Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Kinder auszubauen. Auch der Ausbau von Täterberatungsstellen ist ein wichtiges Thema, denn Täterarbeit ist Opferschutz.
Das Land Niedersachsen und die Kommunen sind nach Einschätzung der lag von der Umsetzung der Anforderungen der Istanbul-Konvention noch weit entfernt. Dazu Marion Lenz vom lag-Vorstand: „Sowohl auf Landesebene als auch auf kommunaler Ebene brauchen wir dringend eine Gesamtstrategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention. Es fehlt an einem tragfähigen Konzept, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt nachhaltig zu bekämpfen.“
Dazu gehört auch, dass die Verbreitung von Information zum Projekt ProBeweis, der anonymen Spurensicherung nach sexueller oder häuslicher Gewalt in Niedersachsen, dringend verbessert werden muss.
Die lag fordert das Land und die Kommunen auf, ausreichend finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um für Frauen und Kindern einen umfassenden Schutz vor Gewalt zu gewährleisten.
(Symbolbild)
(PM)
(16.11.20)