Die Chefs von Verfassungsschutz und Landeskriminalamt sowie der Landeswahlleiter warnen anlässlich der bevorstehenden Wahl zum 21. Deutschen Bundestag am 23. Februar 2025 vor einer zunehmenden Gefahr durch Desinformationskampagnen. Mit einem Sensibilisierungsschreiben an die Kandidatinnen und Kandidaten zur Bundestagswahl sowie öffentlichkeitswirksamen Social Media-Beiträgen informiert der Niedersächsische Verfassungsschutz über die mögliche Beeinflussung der Wahl durch in- und ausländische Akteure.
Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, erklärt dazu: „Vor dem Hintergrund der aktuellen sicherheitspolitischen Lage ist nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden von einem stark erhöhten Risiko unzulässiger ausländischer Einflussnahme im Rahmen der Bundestagswahl 2025 auszugehen. Unter dem Begriff ‚Hybride Bedrohungen‘ zusammengefasst können solche zentralen politischen Ereignisse stets Ziel von unzulässigen Einflussnahmeversuchen fremder Mächte werden, die so ihre strategischen Ziele verfolgen.“
„Wahlen ermöglichen Bürgerinnen und Bürgern, das politische Geschehen aktiv zu beeinflussen. Und genau das wollen sich bestimmte Akteure zunutze machen, indem sie die Menschen mit Desinformation versuchen zu manipulieren“, erklärt der Niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejril. „Es ist daher essenziell, die Bürgerinnen und Bürger darüber aufzuklären, wie sie Desinformation erkennen und wie sie damit umgehen sollten.“
„Die Meinungsbildungsprozesse in unserer Gesellschaft werden durch die ständig wachsende Verbreitung von Desinformation beeinflusst und gefährden so unseren Zusammenhalt. Akteure oder Organisationen säen gezielt Misstrauen, um demokratische Prozesse zu untergraben und gesellschaftliche Konflikte aktiv zu schüren. Mit manipulativen und gefälschten Inhalten wird versucht, Meinungen zu polarisieren und das Vertrauen in Institutionen, Medien und Wissenschaft zu schwächen. Dieser hochbrisanten Entwicklung müssen wir in Verpflichtung gegenüber unserer freiheitlichen Verfassung gemeinsam entgegenwirken“, mahnt der Präsident des Landeskriminalamtes Niedersachsen, Friedo de Vries.
Der Niedersächsische Landeswahlleiter, Markus Steinmetz, weist darauf hin, dass aktuell vor allem in den sozialen Netzwerken Warnungen vor und Gerüchte um vermeintliche Wahlmanipulationen gestreut werden. Damit solle der Eindruck vermittelt werden, es bestehe in Deutschland eine akute Gefahr von Wahlfälschungen. Das schürt Unsicherheiten
bei den Wählerinnen und Wählern und soll dazu dienen, Menschen von der Wahl abzuhalten und die Legitimität des Wahlergebnisses vorab zu untergraben. „Die Verbreitung der Wahlmanipulations-Vorwürfe und ihre ständige Wiederholung ist deshalb so gefährlich, weil sie langfristig dazu führt, Misstrauen gegenüber der Demokratie und demokratischen Abläufen zu verfestigen. Einmal gesäte Zweifel lassen sich leider nur schwer wieder einfangen“, erläutert Steinmetz.
Beweise für eine systematische Wahlmanipulation gibt es nicht. „Zweifel an der Zuverlässigkeit der korrekten Durchführung der bevorstehenden Bundestagswahl sind tatsächlich völlig abwegig“, betont der Landeswahlleiter. „Die gesetzlich verpflichtende Neutralität der Wahlorgane sowie der verfassungsrechtlich gewährleistete Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl stellen eine korrekte Ergebnisermittlung sicher.“
„Desinformationen stellen einen perfiden Angriff auf unsere Demokratie dar“, so Innenministerin Daniela Behrens. „Die Meinungsbildung findet heutzutage immer häufiger online statt, sodass sich auch Desinformationen hauptsächlich in den sozialen Netzwerken wiederfinden und verbreiten. Die Algorithmen und Werbesysteme der Social Media-Plattformen begünstigen die Verbreitung. Ich appelliere daher an alle Bürgerinnen und Bürger, Informationen aus nicht gesicherten Quellen zu hinterfragen. Zudem ist es ausgesprochen hilfreich, die Intention hinter der Nachricht zu prüfen und so oft wie möglich auf Faktenchecks zurückzugreifen.“
„Hinterfragen Sie insbesondere Informationen mit hohem emotionalen Gehalt kritisch und geben Sie sie nicht unreflektiert weiter. Vergleichen Sie Informationen aus verschiedenen Quellen und überprüfen Sie deren Herkunft. Nutzen Sie auch Faktenchecks von Forschungseinrichtungen und unabhängigen Medien, um Desinformationen zu erkennen. Lassen Sie sich nicht instrumentalisieren!“, sagt Friedo de Vries.
Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejril ergänzt: „Cybergestützte Desinformations- und Einflussnahmeoperationen gegen politisch Verantwortliche, gegen politische Institutionen oder auch Medien sind nur eine mögliche Aktionsform, indem erbeutete Daten veröffentlicht oder manipuliert werden („Hack and Leak“-Operationen). Insbesondere russische Dienste verfügen erfahrungsgemäß über entsprechende Fähigkeiten und die Motivation, deutsche Stellen zu sabotieren sowie demokratische Prozesse zu stören oder zu beeinflussen. Aber auch andere Geheimdienste können Urheber hybrider Bedrohungen sein.“
Gezielt informiert der Niedersächsische Verfassungsschutz auch die Kandidatinnen und Kandidaten für die anstehende Bundestagswahl, damit man für potenzielle Bedrohungen im Cyberraum hinreichend sensibilisiert ist. Anzunehmende Szenarien sind z. B. Angriffe auf E-Mail-Accounts oder Internetseiten, Weiterleitung auf gefälschte und mit Schadcode versehene Internetseiten, Kontaktanfragen über soziale Medien, Wiedergabe verfälschter Zitate in den sozialen Medien sowie Reaktionen, Posts oder Re-Posts durch Fake-Accounts.
Im Kontext hybrider Bedrohungen sind auch technologische Angriffe auf Kritische Infrastrukturen (KRITIS), z. B. Cyberangriffe auf Stromnetze, Wasserversorgung, Verkehrsnetze oder Lebensmittelunternehmen möglich. Solche Angriffe können auch dazu dienen, im Rahmen einer hybriden Vorgehensweise das gesellschaftliche Zusammenleben zu destabilisieren. Zu den in Niedersachsen vertretenen Unternehmen, Organisationen und Institutionen pflegt der Niedersächsische Verfassungsschutz einen intensiven Kontakt.
„Wir weisen auf mögliche Szenarien und Vorgehensweisen hin und versuchen gemeinsam, Maßnahmen umzusetzen, die Risiken minimieren“, führt Pejril aus.
Der Niedersächsische Verfassungsschutz hat eine zentrale Anlaufstelle („SPoC Hybrid“) geschaffen. Über diese Stelle werden künftig Informationen zu hybriden Bedrohungen gebündelt und die Bürgerinnen und Bürger sowie die Politik aufgeklärt. Weitere Informationen zur Desinformation bei der Bundestagswahl sind auf der Homepage des Niedersächsischen Verfassungsschutzes zu finden.
Das Landeskriminalamt Niedersachsen und der Niedersächsische Verfassungsschutz sind beim Thema „Hybride Bedrohung“ und speziell beim Thema „Desinformationen im Zusammenhang mit der Bundestagswahl“ in intensivem Austausch. Auch das Landeskriminalamt informiert auf seiner Homepage über Bedrohungen im Zusammenhang mit der Bundestagswahl.
Hintergrund und Begriffsdefinitionen
Als hybride Bedrohungen werden unterschiedliche Formen der illegitimen Einflussnahme auf Staaten oder auch Institutionen bezeichnet. Diese Aktivitäten zielen u. a. darauf ab, das Vertrauen der Bevölkerung in die Stabilität und Handlungsfähigkeit der demokratischen Institutionen und Mechanismen zu untergraben, die westliche Wertegemeinschaft zu diskreditieren und Bündnisse wie die EU sowie die NATO zu schwächen. Beispiele für hybride Bedrohungen sind Manipulationen von Informationen (Desinformationskampagnen), Einflussnahme auf freie Wahlen, die politische Meinungsbildung oder gesellschaftliche Prozesse, Cyberangriffe, Wirtschaftsspionage oder die Androhung militärischer Gewalt.
Desinformationskampagnen stellen einen wesentlichen Bestandteil hybrider Bedrohungen dar. Desinformation ist eine nachweisliche falsche oder irreführende Information, die vorsätzlich verbreitet wird, um die Öffentlichkeit zu beeinflussen oder zu täuschen. Eine Information wird dann zur Desinformation, wenn sie inhaltlich falsch ist oder wesentliche Teile bewusst verschwiegen werden und so durch die Urheber absichtlich verbreitet wird. Zur Abgrenzung: Eine falsche Information ist nicht zwingend eine Desinformation. Ein Beispiel sind redaktionelle Fehler, die in journalistischen Texten passieren können. Entscheidend ist die Absicht hinter der falschen Information. Eine Desinformationskampagne beschreibt eine über einen längeren Zeitraum andauernde Aktion, die beim Empfängerkreis eine breite emotionale Wirkung entfalten soll. Ziele der Urheber sind, Gruppen oder einzelne Personen zu täuschen und gesellschaftliche Spannungen zu verstärken. Dabei werden oft aktuelle Themen aufgegriffen und emotionalisiert. Die Urheber spielen absichtlich mit Ängsten und Unsicherheiten, die in der Bevölkerung bestehen.
Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden.
Infos zu hybriden Bedrohungen und wie Desinformation ihr begegnet werden kann, gibt es hier.
(Symbolbild)
(PM)
(24.01.25)