„Wesenhaft verwoben“ lautete das Motto und passender ließ sich das diesjährige Festival nicht charakterisieren: Komplex, abwechslungsreich, vielschichtig, traditionell und modern aber dennoch miteinander verbunden.
Lingen: 15 Produktionen in sieben Tagen auf sechs Bühnen und auch unter freiem Himmel, sowie weitere Gastspiele im Emsland steckten den Rahmen. Manches war weit im Vorfeld ausgebucht und für andere Darbietungen gab es noch Karten an den Abendkassen.
„Das Spiel mit dem Tod um Undines schönen Schnurrbart gerät zu einem plastischen Diskurs. Unweigerlich fragt man sich, ob das so gehört, oder ob das Leben und Wirken Lingener Frauen sich wirklich in nur fünf Exponate fassen lasst. Gerade wenn man den Tisch liebt, muss man damit rechnen, dass die Tiere wegen der Sache mit dem Wasser den Wald verlassen, um das tödliche Geheimnis der Wunderkugel nicht in einer szenischen Objektsauerei im Mycelium enden zu lassen“.
Das kommt dabei heraus, wenn man die Titel der präsentierten Produktionen formulierend aneinanderreiht. Es klingt, grob überflogen, sinnhaft. Sehr grob überflogen. Allerdings macht es auch deutlich, wie schwierig es ist das Festival in seiner Breite, Tiefe und Vielfältigkeit zusammenzufassen. Sehr unterschiedlich waren die Formen, Themen, Bilder, Techniken und Ansätze. Aus Spanien, Italien, der Schweiz, Frankreich, Belgien und natürlich aus Deutschland waren die Künstler*innen vom 13. bis zum 19. September nach Lingen gekommen. Traditionelleres Puppenspiel mit eingängigeren Bildern und Geschichten wechselte sich ab mit zeitgenössischem Theater der Dinge. „Kinderkram“ war nicht alles. Einige Stücke waren für Kinder, andere altersübergreifend und es gab auch Geschichten, die eher nicht für kindliche Augen und Ohren geeignet waren. „Es war ein bunter Mix aus Formsprachen, Genres und künstlerischen Mitteln mit Anspruch, der in dieser Zusammenstellung bei einem Festival im ländlichen Raum seines Gleichen suchen darf. Es waren sicherlich auch herausfordernde, ungewöhnliche Sachen dabei. Das muss auch so sein, wenn man ein Festival nachhaltig, mit Blick in die Zukunft entwickeln möchte“, fasst TPZ-Leiter Nils Hanraets zusammen.
„Trotz der Unterschiedlichkeit gibt es etwas, was die Stücke vereint: Sie alle waren eine Einladung an die Zuschauenden, sich von Erzählungen über mal konkretere, mal abstraktere Bilder, mit gesellschaftspolitisch brisanten Themen auseinanderzusetzen. Das darf herausfordernd und unbequem sein, es darf aber auch leicht und humorvoll daherkommen. Dies ist ja die Kraft des Theaters, gerade eines Theaters der Dinge, das sich einer eindrücklichen Bildsprache bedient und über Material und Abstraktion Inhalte vielschichtig auf die Bühne bringen kann“, fasst Julia Windisch vom Team der künstlerischen Leitung des Festivals zusammen.
Schon die Eröffnung mit „Tria Fata“ der französischen Compagnie La Pendue, geriet so famos, dass man sich fragen musste, was denn noch kommen kann. Mit skurrilem Humor versah die Puppenspielerin Estelle Charlier ihre „Puppe“. Die alte Dame, am Ende ihres Lebens, verhandelt mit dem Tod, um noch etwas Zeit herauszuschinden. Makaber, aber mit Witz und ein besonderes Erlebnis. „Der Moment, in dem eine Puppe zum Leben erwacht, ist jedes Mal ein beeindruckendes Ereignis, das uns neue Welten eröffnet und das Figurentheater so besonders macht“, fasst Laurenz Bäthke vom künstlerischen Leitungsteam des Festivals zusammen.
Mit „The Game“ des Schweizer Ensembles „trickster-p“, kam das Lingener Publikum sogar in den Genuss einer Deutschland-Premiere. Bei „The Game“ war es nur bedingt deutlich auszumachen, ob es Spiel, oder Schauspiel war. Da jeweils nur maximal 24 Personen bei dieser interaktiven Performance dabei sein konnten, wurde es häufiger „aufgeführt“. Zunächst war es noch nicht üppig besucht. Die Mund-zu-Mund-Propaganda wirkte jedoch.
Manche Stücke brauchten die große Bühne, andere eher eine intimere und weniger klassische Aufführungssituation. Amüsantes, Ernstes, aber auch Stücke die für den einen oder anderen Zuschauer mehr Fragen als Antworten bereithielten. Fragen zum Nachdenken und zum Diskutieren. Bleibt man bei alten Formen, entwickelt sich nichts Neues. So wagte die Festival-Leitung mit Julia Windisch, Laurenz Bätke und TPZ-Leiter Nils Hanraets den Mix mit neuen experimentellen Formen.
Im weitesten Sinne um Fragen und Antworten ging es auch beim „Fachforum“, das in Zusammenarbeit mit dem Institut für Theaterpädagogik der Hochschule Osnabrück durchgeführt wurde.
Gefördert von der Stadt Lingen, dem Landkreis Emsland, der Stiftung Niedersachsen, dem Bund Deutscher Amateurtheater, der Emsländischen Landschaft und der Wisniewsky-Stiftung stand das Festival finanziell auf gutem Fundament. Die Zuschauerzahlen belegten aber mindestens ebenso deutlich, dass die Veranstaltung auch von der Bevölkerung kraftvoll getragen wird.
(PM)
(07.10.24)