Meppen: Im November 2020 entdeckte eine Schülerin bei einem sonntäglichen Spaziergang eine Urne in Werlte. Das darin befindliche Knochenmaterial ließ das nach dem Fund hinzugezogene Emsland Archäologie Museum des Landkreises Emsland genauer untersuchen. Die Ergebnisse liegen jetzt vor.
Als der urgeschichtliche Tontopf gefunden worden war, bargen die hinzugerufenen Archäologen das nahezu vollständig erhaltene Gefäß. Lediglich eine kleine Scherbe am Rand war herausgebrochen. Bei Nachuntersuchungen wenige Tage später wurde in nur 50 cm Entfernung eine weitere Urne gefunden, die ebenfalls komplett erhalten geblieben war, jedoch bei der Bergung auseinander brach. Form und Verzierung der beiden Gefäße erlauben eine Datierung in die Eisenzeit um etwa 500 v. Chr..
In beiden Urnen befanden sich die sterblichen Überreste eines Individuums, nämlich Leichenbrand. In der Eisenzeit war es üblich, den Verstorbenen auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen und die Knochen in einem Gefäß unter einem Hügel zu bestatten.
Um genauere Erkenntnisse zu gewinnen, wurde der Leichenbrand aus der ersten Urne anthropologisch untersucht. Insgesamt konnten 1.744 Knochenfragmente vorsichtig aus dem Gefäß geborgen und von Sand gereinigt werden. Das Gesamtgewicht des Leichenbrands beträgt rund 1.822 kg und entspricht damit in etwa dem Durchschnitt von Knochenresten in eisenzeitlichen Urnen. Anhand der Größe der noch vorhandenen Knochenfragmente ist davon auszugehen, dass es sich um ein erwachsenes Individuum gehandelt hat. Das Geschlecht des Menschen konnte nicht genau bestimmt werden. Die hierfür benötigten noch vorhandenen Knochen aus der Urne waren nicht eindeutig genug zu identifizieren. Vieles deutet auf einen männlichen Verstorbenen von etwa 35 bis 39 Jahren hin. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Erwachsenen betrug damals 40 bis 45 Jahre. Die erhaltenen Knochenfragmente geben keinerlei Hinweis auf ernsthafte Erkrankungen, lediglich altersbedingte Degenerationen an einzelnen Wirbeln verweisen auf ein etwas fortgeschritteneres Alter. Mangelernährung und Notzeiten, vor allem in der Kindheit und Wachstumsphase eines Menschen, sind ebenfalls oft am Skelett erkennbar. In diesem Fall gibt es jedoch keinerlei Hinweise auf Hunger- und Notzeiten.
Nach Erkenntnissen der Kreisarchäologie gehören die beiden Urnen zu einem ehemals ausgedehnten Gräberfeld der Eisenzeit. Bereits vor mehr als 60 Jahren wurden auf einem benachbarten Acker zahlreiche Urnen beim Pflügen gefunden. Dies spricht für eine starke Besiedlung in der Eisenzeit. Offensichtlich war die Region rund um die heutige Gemeinde Werlte ein attraktiver Siedlungsplatz, der alles bot, was Menschen für ihr Überleben benötigten: Wasser, überschwemmungsfreier Grund, auf dem die Häuser gebaut werden konnten, und fruchtbarer Boden für den erfolgreichen Anbau von Feldfrüchten.
Der zu dem Gräberfeld gehörende Siedlungsplatz konnte bisher nicht lokalisiert werden. Möglicherweise ist so ein Dorf der Eisenzeit längst durch nachfolgende Generationen überbaut und die Spuren früheren Lebens nicht mehr nachweisbar. Lediglich die sterblichen Überreste in den Urnen bezeugen, dass schon vor mehr als 2.500 Jahren Menschen in der Region gesiedelt haben. Und die Knochenuntersuchungen aus der „Werlter Urne“ deuten an, dass es unseren Vorfahren wohl nicht schlecht gegangen ist.
(Bild: Landkreis Emsland)
(PM)
(10.06.21)